Der Mythos von der weißen Weihnacht
Cocktail statt Glühwein, Übergangsjacke statt Wintermantel: Das Wetter der letzten Tage war alles andere als vorweihnachtlich. Unwillkürlich stellt sich deshalb knapp einen Monat vor Heiligabend – und weil sie fast schon zum vorweihnachtlichen Brauchtum gehört – die Wetterfrage aller Wetterfragen: Gibt es in diesem Jahr endlich wieder weiße Weihnachten?
Mit den Spekulatiusangeboten in den Supermärkten wird man im Herbst langsam, aber sicher auf die bevorstehende Weihnachtszeit eingestimmt. Sobald die Weihnachtsmärkte ihre Pforten öffnen, sind die Gemüter endgültig für die Weihnachtsromantik empfänglich. Fehlt nur noch das perfekte Postkarten- und Weihnachtsliederwetter. Deshalb kommt sie so sicher wie der Budenzauber mit Glühweinduft, die Wetterfrage aller Wetterfragen: „Gibt es dieses Jahr weiße Weihnachten?“ Schließlich will das perfekte Weihnachtsfest frühzeitig geplant sein.
Bei der Erörterung folgt dann in der Regel prompt der Abstieg ins Reich der Mythen und Weissagungen. Hier und da sind sogleich genaue Weihnachtsprognosen zu lesen, obwohl derart frühzeitige Vorhersagen absolut unseriös sind. Oftmals knüpft sich an die Frage nach weißen Weihnachten dann die enttäuschte Feststellung: „Früher gab es viel öfter weiße Weihnachten“.
Björn Goldhausen, Meteorologe bei WetterOnline, erklärt: „Möglich, dass es früher mehr Lametta gab. Aber weiße Weihnachten gab auch damals nicht so oft, wie uns die verklärte Erinnerung vorgaukelt. Der Mythos der weißen Weihnacht hält sich länger als Schneeflocken im Dezember. Und selbst wenn der eine oder andere schon einmal weiße Weihnachten erlebt haben mag, heißt das nicht, dass zu Weihnachten immer Schnee liegen muss. Weiße Weihnachten sind schlicht ein idyllisches Idealbild. Ein weißes Fest war in Deutschland schon immer die Ausnahme. In der Regel war und ist es bei uns eher grün-grau. Ursache dafür ist das sogenannte Weihnachtstauwetter, das oft für mildes Regenwetter an den Feiertagen sorgt.“
Weihnachtstauwetter verhindert weiße Pracht
Das Weihnachtstauwetter gehört zu den bedeutendsten Witterungsregelfällen. Mit bis zu 60 Prozent Eintreffwahrscheinlichkeit tritt es bemerkenswert häufig nach dem 20. Dezember auf, meist zwischen dem 24. und 29. Dezember. Bis in die Hochlagen der Mittelgebirge taut dann der Schnee, sofern zuvor welcher gefallen ist. In den meisten Regionen liegen die Chancen auf ein weißes Fest rein statistisch betrachtet lediglich zwischen 10 und 30 Prozent. Und da – frei nach Karl Valentin – früher sogar die Zukunft besser war, wird in Zukunft Schnee zum Fest noch seltener – der Klimawandel lässt grüßen.
Früher waren die Winter viel kälter als heute
Ein weiterer Mythos, der immer wieder auftaucht, ist die Behauptung, dass die Winter früher immer viel kälter waren als heute. Auch das stimmt nur bedingt, denn selbst zu Großmutters Zeiten gab es neben eisigen auch viele milde und fast schneelose Winter.
Aber es ist richtig, dass es seit den 1990er Jahren weniger Schnee und Eis gab als zuvor. Dieser Trend wird sich aufgrund des Klimawandels wohl auch in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen.
Auch in diesem Jahr ist noch alles möglich – sogar Flocken zu Weihnachten. Rund zwei Wochen vor dem Fest sind zumindest erste Tendenzen erkennbar und rücken dann langsam in den Bereich seriöser Vorhersagbarkeit.
Text: WetterOnline; Foto: Shutterstock