Das wohl bekannteste Waldinsekt wird wieder mobil: Die Waldameise. Gefährdung nimmt durch Borkenkäferkalamität immer weiter zu
Die Winterruhe ist zu Ende und prompt wimmelt es vielerorts im Wald: Ameisen krabbeln aus dem Nest und tanken auf der Kuppel ihres Nestes dicht an dicht die erste Frühlingssonne. Danach kriechen sie zurück in die Burg und geben die aufgenommene Sonnenenergie, einer Wärmeflasche gleich, an die Artgenossen im noch kühlen unteren Nestbereich weiter, die die Wintereier brutpflegen. Es fasziniert immer wieder, wie diese sechsbeinigen Krabbler, ähnlich der Honigbiene, in straff organisierten Staatengemeinschaften in Kasten mit jeweils klar definierten Aufgaben leben. Und als wäre das nicht schon genug, sind Waldameisen auch noch herausragende Bauingenieure. Ameisenhügel sind wie Eisberge, der sichtbare Teil auf dem Waldboden ist nur ein kleiner, gleichwohl wichtiger Teil des viel größeren unterirdischen Gesamtbauwerks. Und das besitzt insbesondere zum Schutz der Brut eine ausgeklügelte Thermoregulierung, vergleichbar einer Klimaanlage. „In wenigen Monaten herrscht Hochbetrieb im Ameisennest. Um den Nahrungsbedarf der Brut zu stillen fängt ein Einmillionenstaat im Umkreis von 100 Metern um das Nest jährlich 28 Kilogramm Insekten. Und nicht wenige davon sind Schadinsekten“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand.
Um Ameisennester herum wachsen Bäume besonders gut
Die unterirdische Nestbautätigkeit der Waldameisen führt zu einer physikalischen, chemischen und biologischen Verbesserung des Bodens. Die Erde wird von den emsigen Krabblern durchwühlt, durchmischt und mit Nährstoffen angereichert. Die für das Baumwachstum ungünstige Bodenversauerung wird vermindert, die Krümelstruktur lässt mehr Sauerstoff in den Boden gelangen, auch das Regenwasser versickert leichter. Dies führt dazu, dass die Feinwurzeln umliegender Bäume in Richtung der Ameisennester wachsen, um ihre Vitalität zu verbessern. Bäume um Ameisennester herum blühen auch häufiger und produzieren mehr Blüten und Samen. Samen, der durch Ameisen auch noch verbreitet wird, da die Krabbler richtige Schwerlastträger sind. Und nicht zuletzt: Waldameisen sind wichtige Nahrungsquelle für viele Waldarten wie Spechte, Raufußhühner oder auch Wildschweine und Dachse.
Waldameisen leiden unter der Borkenkäferkalamität
Auch wenn Borkenkäfer durchaus zum Speiseplan der Waldameisen gehören – derzeit leiden sie eher unter den Fichtenschädlingen. Zum einen, weil die bis zu 1,5 Meter hohen Hügel nach dem Einschlag der borkenkäferbefallenen Fichten unbeschattet in der prallen Sonne liegen. Waldameisen benötigen aber den durch den täglichen Sonnenlauf verursachten „wandernden Schatten“. Zum anderen, weil Waldameisen die Honigtauproduktion über Blattläuse auf den Fichten umliegender Bäume durchführen. Honigtau ist nicht nur eine wichtige Nahrung für Honigbienen, sondern auch für Waldameisen. Müssen die Fichten um die Nester herum aber saniert, sprich eingeschlagen werden, entfällt diese wichtige Nahrungsgrundlage. Waldameisen reagieren darauf mit der Umsiedlung ihres Nestes – erfahrungsgemäß bis höchstens 50 Meter vom alten Nest entfernt. Bei größeren Schadflächen sind Waldameisen folglich nicht mehr in der Lage sich selbst zu helfen. Hier werden Thüringens Forstleute aktiv, die die Nestumsiedlung veranlassen. „Der Schutz der Waldameisen liegt den Forstleuten traditionell sehr am Herzen. Die „Polizei des Waldes“, wie Ameisen auch genannt werden, sind ein wichtiges Bindeglied im Ökosystem Wald, insbesondere als Jäger von Schadinsekten, aber umgekehrt auch als Futterquelle für Vögel, Kröten und Spinnen“, erläutert Gebhardt abschließend.
Text, Foto: ThüringenForst